Heutzutage ist Leichte Sprache ein Thema, das in verschiedenen Bereichen viel diskutiert und untersucht wird. Seine Relevanz hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und wird in akademischen, politischen und gesellschaftlichen Kreisen kontrovers diskutiert. Leichte Sprache hat die Aufmerksamkeit von Experten und Bürgern gleichermaßen auf sich gezogen und ein wachsendes Interesse am Verständnis seiner Implikationen und Folgen geweckt. In diesem Artikel werden wir uns eingehend mit dem Thema Leichte Sprache befassen, seine verschiedenen Facetten ansprechen und eine detaillierte Analyse seiner Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft anbieten. Durch einen multidisziplinären Ansatz werden wir versuchen, die Schlüsselaspekte von Leichte Sprache zu beleuchten und seine Relevanz in der heutigen Welt zu analysieren.
Leichte Sprache ist eine speziell geregelte, einfache Sprache. Die sprachliche Ausdrucksweise zielt dabei auf die besonders leichte Verständlichkeit. Die Leichte Sprache soll Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen über eine geringe Kompetenz in der deutschen Sprache verfügen, das Verstehen von Texten erleichtern. Sie dient damit auch der Barrierefreiheit. Wesentliches Merkmal der Leichten Sprache ist es, dass alle Texte durch Menschen mit einer Lernbehinderung auf Verständlichkeit geprüft werden müssen.
Es gibt unterschiedliche Regelwerke für Leichte Sprache. So gibt sowohl der Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. als auch die Deutsche Gesellschaft für Leichte Sprache und die Forschungsstelle Leichte Sprache der Stiftung Universität Hildesheim ein Regelwerk heraus. Derzeit arbeitet auch ein DIN-SPEC-Konsortium an einem weiteren Regelwerk für Leichte Sprache. Die Regelwerke umfassen neben Sprachnormen auch Rechtschreibregeln sowie Empfehlungen zu Typografie und Mediengebrauch.
Verneinungen werden, wenn möglich, positiv umformuliert, z. B. Das kostet nichts. zu Das ist umsonst.
Präzise Mengenangaben sollen durch „viel“ oder „wenig“, Jahreszahlen (wie „Bismarck wurde 1871 zum Reichskanzler ernannt“) durch „vor langer Zeit“ o. ä. ersetzt werden.
Leichte Sprache ist nicht Kindersprache, speziell werden die Anreden „Du“ und „Sie“ wie in der Standardsprache verwendet.
Rechtschreibregeln
Bei Zusammensetzungen wird durch Bindestriche oder Halbhochpunkte (in diesem Zusammenhang auch als Mediopunkte bezeichnet) verdeutlicht, aus welchen Wörtern die Zusammensetzungen bestehen, z. B. Welt-All, Bundes-Tag oder Welt·all, Bundes·tag.
Regeln zum Textinhalt
Abstrakte Begriffe werden vermieden; wo sie notwendig sind, werden sie durch anschauliche Beispiele oder Vergleiche erklärt.
Bildhafte Sprache (z. B. Rabeneltern) wird vermieden.
Wenn Fremdwörter oder Fachwörter vorkommen, werden sie erklärt.
Abkürzungen werden beim ersten Vorkommen durch die ausgeschriebene Form erklärt.
Empfehlungen zu Typografie und Mediengebrauch
Wörter werden nicht in durchgehenden Großbuchstaben geschrieben.
Bei Präsentationen wird mehr Lesezeit pro Folie eingeplant.
Praktische Anwendung
Leichte Sprache soll die Informationssicherheit und damit die Autonomie von erwachsenen Menschen verbessern, die aus unterschiedlichen Gründen, vorübergehend oder dauerhaft, Probleme mit einem komplexen Satzbau haben und Fremdwörter nicht verstehen.
Bei der Übertragung von Texten aus Standardsprache in Leichte Sprache werden die Originaltexte gemäß den Regeln für Leichte Sprache umformuliert. Um sicherzustellen, dass die Texte von der Zielgruppe sinngemäß verstanden werden, werden sie oft von sogenannten Prüfern oder Prüflesern durchgesehen. Die sich daraus ergebenden Rückmeldungen werden gesichtet und bei der Abfassung des endgültigen Textes berücksichtigt. Die Übertragung in die Leichte Sprache kann sehr zeitaufwendig sein; eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Übersetzung mehrdeutiger Wörter von der im Text gemeinten Bedeutung ausgehen muss.
Amtliche Mitteilungen sollen zur Barrierefreiheit ergänzend die Leichte Sprache verwenden. Einige Behörden, beispielsweise der Deutsche Bundestag, verwenden auf ihrer Webseite neben der normalen Alltagssprache auch die Leichte Sprache.
An den Münchner Kammerspielen hatte am 18. Februar 2023 eine von Anne Leichtfuß in Leichte Sprache übersetzte Fassung des Dramas Antigone von Sophokles Premiere. Die 80-minütige Aufführung ohne Pause mit sechs Schauspielern in der Regie von Nele Jahnke bekam sehr positive Besprechungen für das gelungene Experiment.
Gesetzliche Grundlage in Deutschland
In Deutschland sind Träger öffentlicher Gewalt nach § 11 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) verpflichtet, „Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen. Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass Träger öffentlicher Gewalt die Leichte Sprache stärker einsetzen und ihre Kompetenzen für das Verfassen von Texten in Leichter Sprache auf- und ausgebaut werden.“ Die genaue Umsetzung ist in der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) geregelt. Sie sieht in § 4 vor, dass neben Erläuterungen in Deutscher Gebärdensprache auch folgende Inhalte in Leichter Sprache von öffentlichen Stellen auf den Startseiten ihrer Websites zu veröffentlichen sind: Informationen zu den wesentlichen Inhalten, Hinweise zur Navigation, eine Erläuterung der wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit sowie Hinweise auf weitere in diesem Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache.
Am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Universität Hildesheim wurde im Januar 2014 die Forschungsstelle Leichte Sprache gegründet. Sie stellt es sich zur Aufgabe, Leichte Sprache in sprach- und übersetzungswissenschaftlicher Perspektive zu erforschen, und sieht sich als Scharnier zwischen universitärer Forschung und praktischer Anwendung der Leichten Sprache in Behörden und Unternehmen. Sie führt forschungsbegleitete Übersetzungsprojekte durch (Schwerpunkt juristische und administrative Texte) und bietet Workshops sowie die Prüfung von bereits übersetzten Texten an. Gemäß den Prüfergebnissen überarbeitete Texte erhalten das „Prüfsiegel Leichte Sprache“ der Forschungsstelle.
Als Gütesiegel für Texte in Leichter Sprache hat der Verein Inclusion Europe ein „Europäisches Logo für Leichte Sprache“ geschaffen. Allerdings sagt das Sigel nichts über die Qualität der Texte in Leichter Sprache aus.
An der Universität Leipzig wurde ab Oktober 2014 über drei Jahre im Rahmen der LeiSA-Studie unter Beteiligung von Menschen mit Lernschwierigkeiten erforscht, „wie Leichte Sprache im Arbeitsumfeld die Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Lernschwierigkeiten verbessern kann“. Ziel war die Erstellung eines Qualifizierungsprogramms für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, das konkrete Hinweise für den Einsatz von Leichter Sprache und einen linguistisch abgesicherten Leitfaden zur Texterstellung und -überprüfung umfasst. Das Projekt gliederte sich in zwei Bereiche: Im sozialwissenschaftlichen Teilprojekt wurde erforscht, ob und in welcher Hinsicht sich berufliche Teilhabechancen durch die Verwendung von Leichter Sprache verbessern. Das linguistische Teilprojekt verfolgte zum einen das Ziel, das Phänomen Leichte Sprache als berechtigte Varietät des Deutschen zu begründen und zu klären, was Verständlichkeit und Zugänglichkeit für jeweilige Leser bedeuten kann. Auf der zweiten Ebene wurde der Frage nachgegangen, welche sprachlichen und typografischen Gestaltungsmittel am besten dafür geeignet sind, Menschen mit Lernschwierigkeiten den Zugang zu unterschiedlichen Texten zu erleichtern. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert. Die Ergebnisse der sprachwissenschaftlichen Teilstudie sind in Form von Praxisempfehlungen veröffentlicht.
Auf einer EASIT-Tagung zu Barrierefreier Kommunikation, die am 13. Februar 2020 an der Universität Hildesheim stattfand, wurde der 28. Mai als Internationaler Tag der Leichten Sprache vorgeschlagen, der seitdem regelmäßig begangen wird.
Unterschiede zur Einfachen Sprache
Die Leichte Sprache geht in der Vereinfachung weiter als die Einfache Sprache. So beträgt die maximale Satzlänge bei der Einfachen Sprache meist 15 Wörter, bei der Leichten Sprache sollen Sätze „kurz“ sein. Nach Ansicht der Aktion Mensch sollen Sätze in Leichter Sprache auf 8 Wörter beschränkt sein, das Netzwerk Leichte Sprache selbst und das Deutsche Historische Museum hingegen verfassten auch längere Sätze in Leichter Sprache. Einfache Sprache vermeidet komplizierte Sprachelemente, macht aber einen normalsprachlichen Eindruck. Leichte Sprache hingegen weist Eigenheiten auf, die in der Normalsprache nicht vorkommen, wie Trennstriche in zusammengesetzten Wörtern und zusätzliche Zeilenumbrüche.
Kritik
Bürgerschaftswahl in Bremen 2015
Die Wahlbenachrichtigungen für die Bürgerschaftswahl in Bremen 2015 wurden ebenso wie ein Begleitschreiben zu den Musterstimmzetteln auch in Leichter Sprache verfasst. Zur Begründung gab Innensenator Ulrich Mäurer die geringe Wahlbeteiligung an. Rainer Bremer, Soziologe und Erziehungswissenschaftler der Universität Bremen, bewertete den Ansatz des Projektes als „bildungsfeindlich“ und klientelistisch. Die „verfälschenden“ Vereinfachungen führten „in die Irre“, läsen sich „wie Parodien auf behinderte Menschen“ und seien „schlimmer als Realsatire“. Arbeitslosenvertreter kritisierten, es liege nicht an „Bildungsferne“, wenn Hartz-IV-Bezieher sich ausgegrenzt fühlten und nicht mehr zur Wahl gingen.
Übersetzungen von Standardsprache in Leichte Sprache weisen ein sehr unterschiedliches Niveau auf. In manchen Übersetzungen werden Formulierungen derart vereinfacht, dass sie nicht mehr aussagekräftig sind. Auch bei der Gewichtung der Argumente in einer Übersetzung kann es zu Verfremdung kommen. So wurde beispielsweise in einer Denkwerkstatt festgestellt, dass in Wahlprogrammen Nebensächlichkeiten zu Hauptpunkten gemacht wurden und umgekehrt.
Kritik einzelner Personen
Die Journalistin Susanne Gaschke hält den Umgang mit Leichter Sprache in einer Beilage der Wochenzeitung Das Parlament für den „Inbegriff von Herablassung“ und „dumm“. Dort heißt es z. B. über die Demonstrationen in Chemnitz 2018: „Bei den Demos haben viele verschiedene Menschen mitgemacht. Manche wollten zeigen, dass sie traurig über den Tod von diesem jungen Mann sind. … Bei den Demos haben bestimmte Menschen mitgemacht. Und zum Teil haben sie die Demos auch geplant. Man nennt diese Menschen Rechts-Extreme. Mitglieder von der AfD haben bei einer Demo mitgemacht. Darum fragen nun viele Menschen: Hat die AfD die gleichen Meinungen wie die Rechts-Extremen?“ Die Erklärung komplexer Sachverhalte würde der Sendung mit der Maus weitaus besser gelingen als der Zeitschrift für Parlamentsinteressierte. In Leserzuschriften zum Artikel wird ihr vorgeworfen, sie hätte nicht ausreichend recherchiert. Sie hätte nicht beachtet, dass sich Texte in Leichter Sprache nicht an Personen mit durchschnittlichem Leseverständnis richten, sondern dass sie Lesern, die Schwierigkeiten beim Verstehen schwieriger Texte haben, überhaupt erst ein Verstehen ermöglicht (ebenda).
Im Jahr zuvor hatte Alfred Dorfer auf Zeit Online einen Kommentar zum Teletext des Österreichischen Rundfunks (ORF) in Leichter Sprache in ähnlichem Duktus wie Gaschke verfasst. Nachdem er von Kommentatoren auf die Hintergründe hingewiesen worden war, entschuldigte er sich.
Die Philologin Melanie Möller nannte Sprachvereinfachungen durch Leichte Sprache „eine besonders perfide Form von sozialer Diskriminierung, die wohlmeinend daherkommt“.
Literatur
Bettina M. Bock, Ulla Fix, Daisy Lange: „Leichte Sprache“ im Spiegel theoretischer und angewandter Forschung. Frank & Timme, Berlin 2017, ISBN 978-3-7329-0282-8.
Ursula Bredel, Christiane Maaß: Leichte Sprache. Theoretische Grundlagen, Orientierung für die Praxis. Dudenverlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-411-75616-2.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Leichte Sprache. Ein Ratgeber. BMAS, Berlin 2014 (127 S., bmas.de [PDF; 3,5MB; abgerufen am 28. September 2014] Druckausgabe bestellbar auf bmas.de).
Duden (Hrsg.): Duden – leichte Sprache. Bibliographisches Institut GmbH, Dudenverlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-411-75616-2.
Europäische Vereinigung der ILSMH (Hrsg.): Sag es einfach! Europäische Richtlinien für die Erstellung von leicht lesbaren Informationen für Menschen mit geistiger Behinderung für Autoren, Herausgeber, Informationsdienste, Übersetzer und andere interessierte Personen. Europäische Vereinigung der ILSMH, Brüssel 1998, ISBN 2-930078-12-X (webforall.info [PDF; 52kB; abgerufen am 3. August 2012] Volltext (27 Seiten) kostenfrei bei www.webforall.info).
Inclusion Europe (Hrsg.): Informationen für alle. Europäische Regeln, wie man Informationen leicht lesbar und leicht verständlich macht. Inclusion Europe, Brüssel 2009, ISBN 978-2-87460-111-8 (online – 44 Seiten [PDF; 1000kB; abgerufen am 18. Juni 2016]).
Mensch Zuerst – Netzwerk People First Deutschland (Hrsg.): Das neue Wörterbuch für leichte Sprache. Mensch Zuerst – Netzwerk People First Deutschland, Kassel 2008, ISBN 978-3-937945-08-8.
Bettina M. Bock: „Leichte Sprache“ – Kein Regelwerk. Sprachwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt. Leipzig 2018 (http://ul.qucosa.de/api/qucosa%3A31959/attachment/ATT-0/ PDF, kostenfrei, 97 Seiten).
Walburga Fröhlich, Klaus Candussi (Hrsg.): Leicht Lesen: Der Schlüssel zur Welt. Böhlau Verlag, Wien 2015, ISBN 978-3-205-20211-0, 258 Seiten.
↑Europäische Vereinigung der ILSMH (Hrsg.): Sag es einfach! Europäische Richtlinien für die Erstellung von leicht lesbaren Informationen für Menschen mit geistiger Behinderung für Autoren, Herausgeber, Informationsdienste, Übersetzer und andere interessierte Personen. Europäische Vereinigung der ILSMH, Brüssel 1998, ISBN 2-930078-12-X (webforall.info [PDF; abgerufen am 16. Mai 2013]). (PDF; 52 kB); auf der Website von Inclusion Europe, abgerufen am 4. August 2010
↑Bettina M. Bock: „Leichte Sprache“ – Kein Regelwerk. Sprachwissenschaftliche Ergebnisse und Praxisempfehlungen aus dem LeiSA-Projekt. 2018 (qucosa.de).
↑Alfred Dorfer: Leicht verständlich. Unser Kolumnist kennt sich endlich bei den Nachrichten im ORF aus. In: Donnerstalk. 17. Juli 2017, abgerufen am 18. November 2018.